Rückwirkende Erhebung von Altanschlussgebühren durch den Abwasserzweckverband

von Gerhard Schultz

Rückwirkende Erhebung von Altanschlussgebühren des AZV gegenüber 3.700 Kunden in Sangerhausen ist rechtlich angreifbar. Bürger werden aufgefordert, Widerspruch einzulegen und sich rechtlich vertreten zu lassen.

„Die Bürgerinitiative Ortsteile Sangerhausen hält das Vorgehen des AZV für dreist und rechtswidrig", so Katrin Scheffel, Stadträtin aus Sangerhausen. Weiter sagt sie „moralisch passt das Vorgehen nicht in die demokratische Rechtsordnung", denn der finanziell angeschlagene AZV nimmt sich das Recht einer nachträglichen Sanierung in Höhe von 1,5 Mio. €.

Die Beitreibung von Altanschlussgebühren richtet sich nach der Schmutzwasserbeitragssatzung für Altanschließer vom 06.11.2012. Die Abwassersatzung hat ihre Rechtsgrundlage in dem Kommunalabgabengesetz des Landes LSA (KAG- LSA). Das KAG - LSA hat keine Fristenregelung und verweist in § 13 Abs. 1 Ziffer 4b in die §§ 169 ff. der Abgabenordnung (Steuerrecht). Das Bundesgesetz hat eine einheitliche Festsetzungsfrist, die beträgt damit vier Jahre. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer (Beitrag) entstanden ist. Der Beitrag ist jedoch bereits dann entstanden, wenn die Maßnahme (Erschließung) abgeschlossen ist. Ab diesem Zeitpunkt sind also vier Jahre zu rechnen. Danach ist Verjährung eingetreten und Beiträge müssen innerhalb dieser vier Jahre festgesetzt werden, danach gibt es kein Rückforderungsrecht. Als Beispiel, wenn die Erschließung 1993 abgeschlossen war, so tritt die Verjährung nach Ablauf des 31.12.1997 ein.

Eine ähnliche Regelung hatte auch das KAG Bayern, jedoch hat hier das BVerfG im März diesen Jahres entschieden, dass das KAG verfassungswidrig sei, da ja zu keinem Zeitpunkt Rechtssicherheit eintrete und auch noch die späteren Generationen mit Nacherhebungsbescheiden oder Altanschlussbeiträgen rechnen müssen. Die Landesregierung von Bayern überarbeitet gerade das KAG. Was heißt das? Für Bayern wurde höchstrichterlich entschieden, dass das KAG Bayern verfassungswidrig ist, die Satzungen unwirksam und darauf aufbauende Altanschlussbescheide rechtswidrig sind. Selbiger Prozess läuft gegenwärtig in Brandenburg ab, anzuregen wäre das auch für Sachsen-Anhalt.

Rechtlich ist auch zu prüfen, ob die Beitragssatzung formell ordnungsgemäß zustande kam (ordnungsgemäße Beschlussfassung, ordnungsgemäße Abstimmung, ordnungsgemäßes Stimmverhältnis zu den Kommunen, die im Zweckverband Mitglieder sind, denn die Größe der Kommunen im Zweckverband entscheidet über die An-zahl oder Gewichtigkeit der Stimmen, ordnungsgemäße Verkündung im Amtsblatt etc.). Sollten hier Unregel-mäßigkeiten zu erkennen sein, kann das die Satzung rechtswidrig machen. Darüber hinaus ist aber auch entscheidend, ob überhaupt die richtigen Maßstäbe bei der Beitragsberechnung für das maßgebliche Grundstück zugrunde gelegt wurden (richtige Größe, Außenbereich, Innenbereich = hier gelten nämlich ausweislich der Abwassersatzung unterschiedliche Beitragssätze). Diese Transparenz ist vom AZV zu verlangen.

Dem Zweckverband kommt eine gesetzliche (Bundesgesetz) Regelung zugute, wonach Widerspruch und Klage bei Beiträgen und Gebühren keine aufschiebende Wirkung haben. § 80 Abs. 2 VwGO sagt aus, obwohl man Widerspruch gegen einen Bescheid einlegt, muss man dennoch erst einmal zahlen. Andernfalls droht die Zwangsvollstreckung.

Gegen die Bescheide kann und sollte man innerhalb von einem Monat Widerspruch einlegen. Wenn über den Widerspruch negativ entschieden wurde, ergeht ein sog. Widerspruchsbescheid. Gegen den kann man wieder innerhalb eines Monats Klage beim Verwaltungsgericht einlegt werden.

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